29.04.2020

Zweites Corona Schutz-Paket (Teil 2)

In der kommenden Woche berät der Bundestag über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Einen Teil der wesentlichen Bestandteile des Entwurfs wurden in dem Beitrag Zweites Corona Schutz-Paket (Teil 1) beschrieben. Im zweiten Teil geht es hauptsächlich um vorübergehende Änderungen des SGB XI, unter anderem umdie „Corona-Prämie“:

  • Befristete Hilfsmaßnahmen für nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch) und Vereinfachungen für die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrages (§ 45b des Elften Buches Sozialgesetzbuch). (§ 150 Abs.5a bis 5c SGB XI)

Für nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag soll die Möglichkeit geschaffen werden, coronabedingte außerordentliche Aufwendungen und Einnahmeausfälle zumindest teilweise zu kompensieren. Außerordentliche Aufwendungen können durch zusätzlichen Personalaufwand begründet sein, der entsteht, weil Betreuungskräfte pandemiebedingt vorübergehend ausfallen. Einnahmeausfälle können insbesondere dadurch entstehen, dass betreute Pflegebedürftige die Leistungen auf Grund der Coronavirus-CoV-2-Pandemie nicht mehr in Anspruch nehmen können oder wollen. Der Ausgleichsanspruch für Einnahmeausfälle ist auf 125 Euro je Pflegebedürftigen im Monat beschränkt. Dies entspricht dem Kostenerstattungsbetrag, den die Pflegekasse im Monat nach § 45b des Elften Buches Sozialgesetzbuch als Entlastungsbetrag je Pflegebedürftigem für Angebote zur Unterstützung im Alltag aufwenden kann.

Für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 soll ein möglichst flexibler Einsatz des Entlastungsbetrages ermöglicht werden, um coronabedingte Versorgungsengpässe zu vermeiden. Daher wird die Gewährung des Entlastungsbetrages bis zum 30. September 2020 uch auf sonstige Hilfen ausgedehnt, die der Sicherstellung der Versorgung der Pflegebedürftigen dienen. Dies kann von professionellen Angeboten bis zur Inanspruchnahme nachbarschaftlicher Hilfe reichen. An den Nachweis gegenüber der Pflegekasse zur Erstattung der Kosten sollen die Pflegekassen im Interesse einer zügigen und unbürokratischen Abwicklung keine überhöhten Anforderungen stellen.

Die Übertragbarkeit von angesparten Leistungsbeträgen nach § 45b des Elften Buches Sozialgesetzbuch aus dem Vorjahr, die für angesparte Leistungsbeträge aus dem Jahr 2019 nach geltendem Recht auf das erste Kalenderhalbjahr des Jahres 2020 beschränkt ist, wird einmalig auf den 30. September 2020 erweitert. Diese Erweiterung soll für Pflegebedürftige aller Pflegegrade ermöglicht werden.

  • Die Voraussetzungen für den Bezug des Pflegeunterstützungsgeldes (§ 44a des Elften Buches Sozialgesetzbuch) werden für coronabedingte Arbeitsverhinderungen angepasst. (§ 150 Abs.5d SGB XI)

Die Regelung soll bis zum 30. September 2020 sicherstellen, dass bei einem durch das Coronavirus-CoV-2 verursachten pflegerischen Versorgungsengpass Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz für bis zu 10 Tage gewährt werden kann, wenn Beschäftigte auf Grund einer anderweitig nicht behebbaren Versorgungslücke die pflegerische Versorgung eines nahen Angehörigen im Sinne des Pflegezeitgesetzes in dieser Zeit selbst organisieren oder sicherstellen müssen. Dies muss in geeigneter Weise glaubhaft gemacht werden. Dies kann zum Beispiel durch eine Bestätigung des behandelnden Arztes oder der Pflegeeinrichtung geschehen, die auf Grund des Coronavirus-CoV-2 ihr Angebot ganz oder teilweise einstellt oder einstellen muss oder durch die Bestätigung einer Pflegeperson, dass sie coronabedingt ausgefallen ist. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass die Beschäftigten zunächst gegebenenfalls vorhandene Urlaubsansprüche nutzen.

  • Im Falle der Inanspruchnahme von Kurzzeitpflege in stationären Vorsorge- oder Rehabilittionseinrichtungen erhalten Pflegebedürftige vorübergehend einen höheren Leistungsanspruch gegenüber der Pflegeversicherung, um höhere Vergütungssätze auszugleichen. (§ 149 Abs.2 SGB XI)

Die vorübergehende Erhöhung des Leistungsbetrags der Kurzzeitpflege dient der Verhinderung höherer Eigenanteile der Pflegebedürftigen, die sich ergeben können, wenn in der in Anspruch genommenen Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung gegenüber einer durchschnittlichen Kurzzeitpflegeeinrichtung ein höherer Vergütungssatz gilt. Statt über eine komplexe und bürokratische Berechnung im Einzelfall soll dieses Ziel über die pauschale Anhebung des Leistungsbetrages erreicht werden. Abweichend von § 42 Absatz 2 Satz 2 (1.612 Euro) übernehmen die Pflegekassen bei Kurzzeitpflege in dem Zeitraum vom Inkrafttreten dieses Gesetzes bis einschließlich 30. September 2020 in Einrichtungen, die stationäre Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erbringen, Aufwendungen bis zu einem Gesamtbetrag von 2.418 Euro.

  • Freie Kapazitäten in stationären Vorsorge- oder Rehabilittionseinrichtungen können für die vorübergehende Versorgung und Betreuung pflegebedürftiger Menschen genutzt werden, denen etwa nach einem Krankenhausaufenthalt eine quarantänebedingte Rückkehr in die vollstationäre Pflegeeinrichtung vorübergehend nicht möglich ist. (§ 149 Abs.3 SGB XI)

Die Regelung ist grundsätzlich auf maximal 14 Kalendertage begrenzt. Im begründeten Einzelfall kann in Abstimmung mit der Pflegekasse des betreffenden Pflegebedürftigen eine Verlängerung vorgesehen werden. Für die Dauer der vorübergehenden pflegerischen Versorgung bleibt die Zahlungsverpflichtung der Heimentgelte der Pflegebedürftigen und ihrer Kostenträger unverändert gegenüber der bisherigen vollstationären Pflegeeinrichtung bestehen. Das führt zugleich dazu, dass auch die Leistungsbeträge nach § 43 von den Pflegekassen für die betreffenden Zeiträume unverändert an die Einrichtung weiter zu zahlen sind. Dadurch entstehen der bisherigen Pflegeeinrichtung keine Mindereinnahmen. Der Pflegeplatz des Pflegebedürftigen ist von der vollstationären Pflegeeinrichtung während dieser Abwesenheit entsprechend freizuhalten.

  • Pflegeeinrichtungen werden zur Zahlung von gestaffelten Sonderleistungen (Corona-Prämien) an ihre Beschäftigten verpflichtet. Die Aufwendungen für diese Corona-Prämien werden den Pflegeeinrichtungen durch die soziale Pflegeversicherung und im ambulanten Bereich anteilig durch die Gesetzliche Krankenversicherung im Wege der Vorauszahlung erstattet. (§ 150a SGB XI)

Die Prämie soll als individueller steuer- und sozial versicherungsfreier Anspruch der Beschäftigten ausgestaltet werden. Insgesamt sollen für Beschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung
– bei jeweils mindestens 35 Arbeitsstunden/Woche 1.500 Euro,
– für mindestens im Umfang von 25 Prozent der Arbeitszeit in diesen Bereichen eingesetzte Beschäftigte 1.000 Euro und
– für die übrigen Beschäftigten der Pflegeeinrichtung 500 Euro Bonus gezahlt werden.
– Für Auszubildende in der Pflege wird ein Bonus von 900 Euro vorgeschlagen.
In der zweiten Hälfte des Jahres 2020 werden das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium der Finanzen miteinander festlegen, in welchem Umfang die Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung Zuschüsse des Bundes zur Stabilisierung der jeweiligen Beitragssätze erhalten. Dies wird auch die Frage der Refinanzierung dieser einmaligen Prämie umfassen.

  • Kostenaufteilung bei der Erstattung pandemiebedingter Mehrausgaben und Mindereinnahmen von Hospizen. (§ 150 Abs.4 Satz 1 SGB XI)

Hospize, die als nach § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch zugelassene Pflegeeinrichtungen für Patienten und Patientinnen mit unheilbaren Krankheiten in der letzten Lebensphase eine palliativ-pflegerische Versorgung und Betreuung sicherstellen, können coronavirusbedingte Erstattungen von außerordentlichen Aufwendungen und Einnahmeausfällen geltend machen. Auf Basis der Finanzstatistik der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich in etwa ein Verhältnis von 80:20 zwischen Kranken- und Pflegeversicherung. Entsprechend wird eine Beteiligung der Krankenkassen an den Erstattungen in diesem Umfang vorgesehen.

  • Als vorbeugender Schutz der Bevölkerung vor Influenza und um eine Belastung des Gesundheitssystems zusätzlich durch Influenza für den Fall, dass sich die COVID-19-Pandemie fortsetzt, so niedrig wie möglich zu halten, werden Vorkehrungen für die Versorgung der Versicherten mit saisonalem Grippeimpfstoff für die Grippesaison 2020/2021 getroffen. ( § 106b Abs.1a SGB V)

Die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit saisonalen Grippeimpfstoffen erfolgt durch Ärztinnen und Ärzte. Die Abschätzung des tatsächlichen Bedarfs an Grippeimpfstoff für die Impfsaison 2020/2021 ist aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie erheblich erschwert, insbesondere weil verlässliche Aussagen zur Weiterentwicklung der COVID-19-Pandemie und auch derzeit nur eine Einschätzung der Impfbereitschaft der Bevölkerung in der Grippeimpfsaison 2020/2021 getroffen werden können. Zur Vermeidung einer Unterversorgung der Bevölkerung mit saisonalem Grippeimpfstoff wird den Ärztinnen und Ärzten deshalb ein höherer „Sicherheitszuschlag“ für die Bestellung von saisonalem Grippeimpfstoff eingeräumt, um das Risiko von Regressforderungen der Krankenkassen wegen unwirtschaftlicher Verordnung zu verringern. Eine Überschreitung der Verordnung von saisonalen Grippeimpfstoffen im Wege des Sprechstundenbedarfs von bis zu 30 Prozent gegenüber den tatsächlich erbrachten Impfungen gilt grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich.

  • Der Bund übernimmt die Kosten für europäische Intensivpatienten, die in deutschen Krankenhäusern wegen mangelnder Kapazität im Heimatland behandelt werden. (§ 219a Abs.6 SGB V)

Einige von der Coronavirus SARS-CoV-2- Pandemie besonders betroffene europäische Staaten haben sich mit der Bitte an Deutschland bzw. an einzelne Länder gewandt, angesichts begrenzter eigener Kapazitäten schwer erkrankte Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern zu behandeln. Aufgrund der lebensbedrohlichen Situation der Patientinnen und Patienten rechtfertigt dies eine Finanzierung aus Bundesmitteln zur Bekämpfung des Ausbruchs des neuen Coronavirus. Es handelt sich dabei ausschließlich um Covid-19-bedingte Fälle, für die die jeweiligen Kapazitäten der betreffenden Mitgliedstaaten oder des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland nicht ausreichten oder ausreichen.

  • Rückkehrrecht privat Krankenversicherter in ihren vorherigen Versicherungstarif (§ 204 Abs.2 des Versicherungsvertragsgesetz – tritt rückwirkend mit Wirkung vom 16. März 2020 in Kraft).

Die Krise könnte viele privat versicherte Selbstständige und Kleinunternehmer zwingen, wegen finanzieller Probleme in einen günstigeren Basistarif ihrer Krankenkasse mit weniger Leistungen zu wechseln. Mit dem Gesetz sollen Betroffene ein vereinfachtes Rückkehrrecht in den ursprünglichen Tarif bekommen, wenn es ihnen finanziell wieder besser geht – ohne erneute Gesundheitsprüfung und damit möglicherweise höhere Beiträge.

Im kommenden Beitrag geht es um das zweite Sozialschutzpaket zur Corona-Krise.

Quelle: Bundesregierung

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